‘The day of the Lord is already here’ (2 Thess 2:2b) – A key problem to the understanding of the second letter to the Thessalonians. 2 Thessalonians 2:2b, that is, the words ἐνέστηκεν ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου are a crux interpretum. At the same time their interpretation is crucial for the overall understanding of 2 Thessalonians. Does this text offer a view of early Christian eschatology totally different from Paul's or is it compatible to what we read for example in 1 Thessalonians? The article deals critically with two recent monographs by Norbert Baumert and Maria-Irma Seewann who offered a new interpretation of the passage according to which 2 Thessalonians 2:2 is not concerned with matters of Parousia, but with Christ's presence in the community. It offers an overview of the development of the ‘Day of the Lord’ traditions in the Old Testament and Early Judaism and shows that Baumert and Seewann's interpretation is untenable. After an analysis of the context of 2 Thessalonians 2:1–2 the article develops an own interpretation of 2 Thessalonians’ 2:2 in light of a parallel in Hippolyt's Commentary on Daniel. The eschatology of 2 Thessalonians 2 finally, provides an argument for the text's pseudepigraphy.
Endzeit, Pseudepigraphie und Naherwartung
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In 2 Thessalonicher 2:2b zitiert der Autor des 2. Thessalonicherbriefs offenbar eine Aussage der Gegner, gegen die sich sein Schreiben richtet: Die konkrete Bedeutung der Worte ἐνέστηκεν ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου hat Ausleger von alters her beschäftigt. Was auch immer ganz konkret gemeint ist, die Aussage kann als Schlüssel für die Deutung des gesamten 2. Thessalonicherbriefs verstanden werden. In unserem Verständnis lassen sich von 2:1–2 aus entscheidende Linien ziehen, die eine Gesamtinterpretation des 2. Thessalonicherbriefs ermöglichen. Für eine Gegnergruppe scheint sich Naherwartung in solcher Weise intensiviert zu haben, dass dies für die angesprochene(n) Gemeinde(n) zu einem Problem wird. Noch problematischer ist die Tatsache, dass die Gegner sich dabei, wie aus dem unmittelbaren Kontext zu entnehmen ist, auf die Autorität des Paulus berufen (2 Thess 2:2). Dieser Bedrohung muss der Autor unseres Textes ein Alternativmodell entgegenhalten – und dabei selbst die Rolle des Paulus einnehmen, um Paulus vor einer offensichtlichen, womöglich katastrophalen Fehldeutung zu retten. Gleichzeitig lassen sich vor diesem Hintergrund alle drei Hauptabschnitte des Briefs deuten: Kapitel 1 ermahnt zur Geduld in der Bedrängnis und beschreibt das gerechte Endgericht, in dem den Frevlern vergolten wird. Bereits durch die Betonung des Motivs der ‚Geduld’ beziehungsweise des ‚Durchhaltens’ wird ein Zeit-Raum geschaffen, der durch die Beschreibung der Endereignisse in Kapitel 2 gefüllt werden kann. Zudem ist die Darstellung des Endgerichts in 2 Thessalonicher 1 so sehr von Intertexten aus den Schriften Israels her bestimmt, dass sie als ‚traditionell’ bisherige Erwartungen bestätigt (wf. Nicklas 2013:229–238). Der durch die Mahnung zur‚ Geduld’ geöffnete Zeit-Raum kann nun in Kapitel 2 durch eine Reihe von Elementen gefüllt werden, die die Zeit bis zum Endgericht in einer Weise dehnen, dass die Behauptung der Gegner, der ‚Tag des Herrn sei schon da’ bereits damit ad absurdum geführt ist. Besonders wirkungsvoll ist dabei der, beziehungsweise das geheimnisvolle ‚Katechon’, das gerade aufgrund seiner Unbestimmtheit und Offenheit auf verschiedene Deutungen hin immer neue Interpretationen zulässt (und neue ‚Dehnungen’ der Zeit bis zu den Ereignissen der Endzeit ermöglicht).1 Wir halten schließlich selbst die Auseinandersetzungen um ein angemessenes ‚ordentliches’ Verhalten der Glieder der Gemeinde, wie wir sie in Kapitel 3 finden, am besten dann verstehbar, wenn sie in Bezug zum Kernproblem gesetzt werden: Wo das Leben in der Welt durch den unmittelbar bevorstehenden beziehungsweise bereits ‚anwesend’ gedachten ‚Tag des Herrn’ bestimmt ist, ist es in Gefahr, die Ordnung und Regel zu verlieren, die erst ein Überleben der Gemeinde in der sich dehnenden Zeit erlaubt. Dass der Fokus des Textes auf dem ‚Arbeiten’ liegt, in dem der Apostel zum Vorbild der Gemeinde geworden ist, scheint uns vor diesem Hintergrund kein Zufall zu sein.
Die Fragestellung – Ein Dialog mit Baumert und Seewann
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Eine Gesamtdeutung des 2. Thessalonicherbriefs wie die eben skizzierte hängt also entscheidend vom Verständnis von 2 Thessalonicher 2:1–2 ab. Da sich damit natürlich ein Modell von gegenüber 1 Thessalonicher deutlich veränderter Naherwartung verbindet und die Frage der in 2 Thessalonicher (bei so manchen gleichzeitigen Übereinstimmungen) gegenüber 1 Thessalonicher so stark verschobenen Endzeitvorstellungen ein beziehungsweise vielleicht das Hauptargument für die Pseudepigraphie (und damit die historische Einordnung) von 2 Thessalonicher liefert, stellt jeder Versuch, den Abschnitt anders als eben skizziert zu deuten, eine große Herausforderung an die Exegese des 2. Thessalonicherbriefs dar. Eine solche Neudeutung haben jüngst M-I. Seewann mit ihrer 2013 erschienenen Monographie Tag des Herrn und Parusie sowie 2014 Norbert Baumert (in Zusammenarbeit mit Seewann) mit einer auf Seewanns Monographie aufbauenden Kommentierung von 1 und 2 Thessalonicher in der Reihe ‚Paulus neu gelesen’ vorgenommen (Baumert & Seewann 2014; Seewann 2013). Da hier die vielleicht radikalste Neuinterpretation von 2 Thessalonicher seit vielen Jahren vorgelegt wurde, halten wir es für sinnvoll, die Argumente der beiden im Folgenden kritisch zu hinterfragen und anschließend ein noch einmal verfeinertes Modell des eigenen Verständnisses vorzulegen:
Im Vergleich zu den klassischen Deutungen ist die Interpretation von Norbert Baumert und Maria-Irma Seewann geradezu provozierend. Ihrer Meinung nach geht es in 2 Thessalonicher 2 nicht um Fragen der Naherwartung der Gemeinde, sondern der bleibenden Gegenwart Christi.2 Dies sei angeknüpft an die konkrete Auseinandersetzung mit einem Pseudo-Propheten in der Gemeinde von Thessalonich, der mit dem in 2:3 erwähnten ‚Mann der Gesetzlosigkeit’, der dann nicht mehr als Figur eines endzeitlichen Antichristus gesehen werden kann, identifiziert wird. Es gehe zumindest in 2 Thessalonicher 2 nicht um Eschatologie, sondern um Fragen von Spiritualität (Baumert & Seewann 2014:93–94). Der Brief wird vor diesem Hintergrund als ‚konkrete Ausführung zu dem, was in 1 Thessalonicher 5:19–22 steht’ (Baumert & Seewann 2014:94), gelesen: ‚Geistmanifestationen und Prophetien prüfen, das Gute festhalten und jeden Anschein des Bösen meiden!’ (Baumert & Seewann 2014:94). Vor diesem Hintergrund können die beiden Autoren 2 Thessalonicher dann tatsächlich als kurz nach dem 1. Thessalonicherbrief von Paulus selbst verfasst lesen – gegen die Auffassung, der Text sei pseudepigraphisch, wird klar (und ab und an nicht ganz ohne polemische Zwischentöne) Stellung genommen.3 Dies liegt unseres Erachtens nach in einem breiter zu beobachtenden Trend, die in den vergangenen Jahrzehnten historisch-kritisch erbrachten Argumente zur Pseudepigraphie im Neuen Testament zurückzudrängen.4 Wir selbst halten mit der Mehrheit der europäischen Forscher an der Pseudepigraphie des 2. Thessalonicherbriefs fest, ohne dies hier im Detail begründen zu können.5
Für den vorliegenden Rahmen konzentrieren wir uns auf Baumert und Seewanns Deutung von 2 Thessalonicher 2:2: die natürlich Auswirkungen auf das Verständnis anderer Passagen hat. Diese wiederum beruht auf der semantischen Analyse entscheidender Begriffe, die in diesen Versen begegnen; dabei konzentrieren wir uns (für den vorliegenden Kontext) auf die Diskussion der Wendung ‚Tag des Herrn’, werfen einige Seitenblicke auf andere semantische Überlegungen der beiden Autoren und stellen von da aus eigene Gedanken zur Deutung der Passage vor.
Die Tag des Herrn-Tradition als Tradition mit Brüchen – Anfragen an die Tag des Herrn-Vorstellung von Baumert und Seewann
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Aufbauend auf einem ausführlichen Kapitel der bereits erwähnten Monographie von M-I. Seewann nehmen die beiden Autoren im Kommentar eine dezidiert eigene Meinung zur Bedeutung der Wendung ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου ein – wir zitieren aus der Monographie Seewanns (2013):
Die These lautet, daß ἡ. τ. κ. nicht die Charakteristika eines terminus technicus aufweist, auch nicht in Richtung Apokalyptik oder Eschatologie tendiert, aber Bezüge zum alttestamentlichen jom JHWH als einer prophetisch-theophanen Ausdrucksweise hat und auch im Neuen Testament ein prophetisch-theophaner Ausdruck ist. Diese, schriftlich nur bei den Schrift-Propheten … vorkommende Status-constructus-Verbindung scheint ein sprachlich-inhaltlicher Rückbezug zu sein auf die heilsgeschichtlich einschneidensten Momente Israels: aufleuchtende Präsenz JHWHs im Exodus-Geschehen, als rettendes, befreiendes Handeln JHWHs aus einer Notsituation, am Sinai, als Gabe und Empfang der Thora und des Bundes. (S. 107)
Vier Punkte dieser Meinung, die Baumert und Seewann zur Interpretation von 2 Thessalonicher 2 heranziehen, halten wir für äußerst problematisch:
- Für Baumert und Seewann ist der Tag des Herrn der Schriftprophetie in erster Linie ein innerhalb der Geschichte verankertes Ereignis, an dem sich die Präsenz Gottes besonders verdichtet. Da diese radikal innergeschichtlich gedacht wird, lässt sich auf die Gegenwart Gottes auch aus einer Retrospektive zurückblicken. Vor diesem Hintergrund lesen sie den ἡμέρα τοῦ κυρίου in 2 Thessalonicher 2:1–2 als einen Ausdruck einer gegenwärtigen Gotteserfahrung, die einer der Gemeindegegner angeblich gemacht hat und die im Anschluss an 1 Thessalonicher 5 entsprechend zu prüfen sei. Doch bereits das sehr simple Zeitmodell von Baumert und Seewann, das prophetische Texte nicht in ihrer Vielfalt sieht, sondern sie in ein uniformes Schema presst und keinen Platz für historische Entfaltungsprozesse einräumt, ist anzweifelbar.
- Baumert und Seewann gehen zu Recht davon aus, dass in der Tag des Herrn-Tradition eine Theophanie eine tragende Rolle spielt. Jedoch vernachlässigen sie, dass sich Gottesbilder und Vermittlungsformen einer Gottespräsenz bereits in den Texten der sogenannten ‚Schriftprophetie’ deutlich veränderten. Die beiden Autoren klammern jene Entwicklungsstadien, die die Tradition bis ins zweite Jahrhundert durchlaufen hat, vollständig aus. Unseres Erachtens nach jedoch sollte man zwischen der Schriftprophetie und den Texten des ‚Neuen Testaments’ mehrere Brüche, Mutationen und Spannungen annehmen, vielleicht sogar voraussetzen, um letztere überhaupt erst verstehen zu können.
- Baumert und Seewann sind zudem der Überzeugung, dass die Gottes-, beziehungsweise Christuspräsenz des Tags des Herrn in 2 Thessalonicher 2:1–2 individuell erfahrbar sei. Auch hier stützen sich beide auf die Schriften der Propheten. Doch tragen diese überhaupt eine solche Deutung? Baumerts und Seewanns These ist useres Erachtens nach zu einfach, um den komplexen Individualisierungsprozess der Tradition einzufangen. Dies geht ebenso wenig, ohne eine Genese von endzeitlichen Gerichtskonzeptionen zu betrachten.
- Zudem bergen die Parallelen, die Baumert und Seewann zwischen dem ‚Tag des Herrn’ des hebräischen ‚Alten Testaments’ und 2 Thessalonicher 2 ziehen, einige methodische Schwierigkeiten. Nicht zuletzt streifen sie die breitere Diskussion um eine angemessene Definition des Tags des Herrn. Unseres Erachtens nach ist der Weg, den beide gewählt haben, nicht tragfähig für einen rezeptionsgeschichtlichen Ansatz und sollte von daher spezifiziert werden.
Nicht zuletzt wollen wir hier dafür plädieren, die Gradwanderung zwischen Apokalyptik und Prophetie zumindest den Tag des Herrn betreffend aufzugeben, da sich Genregrenzen hier kaum oder nur schwer aufrecht erhalten lassen (Wendebourg 2003:356–377).6
Was ist der Tag des Herrn – Definitionskriterien und Deutemuster und Ansatzfehler von Baumert und Seewann
Bevor wir einen Blick darauf werfen, was Baumert und Seewann unter dem Tag des Herrn verstehen, müssen wir ein paar technische Worte darüber verlieren, wie diese Tradition bislang wissenschaftlich vermessen worden ist. Denn damit lassen sich bereits einige Aspekte von Baumert und Seewanns These erklären, kontextualisieren und nicht zuletzt kritisieren. Ihre Schlussfolgerungen basieren darauf, dass sie nur bestimmte Texte des prophetischen Tags der Herrn zu Rate gezogen haben, andere, wesentlich weitläufigere Zusammenhänge jedoch ausklammerten. Dies funktioniert nur innerhalb eines spezifischen Denkparadigmas der Tag des Herrn-Forschung, das wiederum selbst kritisch begutachtet werden kann. Seine explizite Prämisse ist es, ausschließlich Texte des sogenannten ‚Alten Testaments’ der Tradition zuzurechnen. Die Anfänge hiervon reichen zurück bis in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhundert als Y. Hoffman versuchte, den Tag des Herrn bestimmbar zu machen. Hoffman entwickelte dazu ein sehr enges Kriterium, nach dem nur Texte, in denen die Constructusverbindung zwischen יום und dem Tetragramm in irgendeiner Form vorkommt, dem Vorstellungskreis zugeschrieben werden können (Hoffman 1981:48–50). Seine Definition findet sich inzwischen in unzähligen Methodenteilen von Untersuchungen zum ‚prophetischen’ יום יהוה (Beck 2005:44; Schwesig 2006). Der große Vorteil einer solchen Definition ist der, dass er die Textauswahl einer Untersuchung radikal eingrenzt und ihren Gegenstand auf 16 Texte der Schriftprophetie reduziert, denn die Constructusverbindung kommt in der Tat nur in Amos 5:18–20; Jesaja 2:12; 13:6.9; 22:5; 34:8; 46:10; 61:2; Klagelieder 2:22; Ezechiel 7:19; 13:5; 30:3; Zefania 1:7, 8, 14, 18; 2:2.3 Obadja 1:15; Joel 1:15; 2:1, 11; 3:4; 4:14; Sacharja 14:1; Maleachi 3:23 vor. Auch das Denken von Baumert und Seewann (2014) scheint sich darauf zu stützen – so spricht etwa Seewann davon, dass es sich beim Tag des Herrn um eine ‚prophetisch-theophane Ausdrucksweise’ handle und dass Jom Adonai eine ‚schriftlich nur bei den Schriftpropheten … vorkommende Status-constructus-Verbindung’ (S. 107) sei.
Dagegen hat 1989 bereits H. Spieckermann (1989:194–208) einen deutlichen Einwand vorgebracht, der auch von N. Wendebourg (2003:29) und uns geteilt wird. Sie fordern, auch solche Texte zu berücksichtigen, in der das Syntagma יום יהוה zwar nicht explizit aufleuchtet, jedoch inhaltliche Parallelen zum Traditionsfeld existieren. Spieckermann und Wendebourg stecken also den Tag des Herrn großflächiger ab und reflektieren, dass letztendlich eine am Buchstaben klebende Annäherung an den großen Tag sehr viele Texte angefangen von der LXX bis in die Literatur des zweiten Tempels hinein schlicht und ergreifend aus dem Traditionskreis ausschließt. Denn selbst viele Passagen des Vorstellungskreises aus dem ersten und zweiten Jahrhundert wie zumBeispiel Didache 16 würden durch ein enges methodisches Raster einfach durchfallen, da sie den Tag Gottes anders darstellen als die יום יהוה-Texte der Schriftprophetie.
Engmaschige Ansätze in der Nachfolge von Y. Hoffman tragen ähnlich wie Baumert und Seewann einem Aspekt des Tags des Herrn somit nicht genügend Rechnung: Die Tag des Herrn-Texte sind Traditionsliteratur. Begreift man sie als fließende Literatur, zu deren inneren Kern aber zu jeder Zeit Momente der Theophanie zählen (und darauf deutet bereits Jes 2; 13; 34 sowie Zef 1–2 hin), erklärt sich, warum sich seine Darstellung im Laufe der Geschichte änderte. Schließlich wandelte sich die Art und Weise, von Gott zu sprechen, in verschiedenen kulturellen Diskursen genauso wie sich Geschichtsbilder, Zeitvorstellungen, Heilsutopien und Identitätsentwürfe Änderungen unterworfen haben. Anders geartete Gottesbilder bedingten unseres Erachtens nach, dass sich auch der Tag des Herrn formal und inhaltlich umformen musste, um geschichtlich adaptionsfähig zu bleiben. Übergeht man diesen Prozess, indem man direkt die Schriftprophetie auf Texte des ‚Neuen Testaments’ überträgt – so wie es Baumert und Seewann getan haben –, ent-‚historisiert’ man damit die gesamte Tradition. Dass dies nicht möglich ist, besagt streng genommen 2 Thessalonicher 2:1–2 selbst, insofern bereits das κύριος in der Formulierung ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου (z.B. Apg 2:20; 1 Kor 1:8; 5:5; 2 Kor 1:14; 1 Thess 5:2; 2 Thess 2:2; 2 Petr 3:10) einen deutlichen Unterschied zum hebräischen יום יהוה markiert und zumindest die Entwicklung einer Tag des Herrn-Theologie innerhalb der griechischen Übersetzungen der hebräischen Bibel voraussetzt. Der Tag des Herrn als Theophanie – wechselnde Gottesbilder des Traditionskreises
Den Tag des Herrn als einen besonderen Ausdruck der Gottespräsenz zu sehen, ist sicherlich richtig. Dennoch bedarf die Sicht von Baumert und Seewann einiger Korrekturen und sollte in sich differenziert werden, denn mit der Gegenwart Gottes verbinden Tag des Herrn-Texte aus unterschiedlichen Zeiten und Kontexten teilweise andersgeartete Vorstellungen.
Sicherlich hat Zapff überzeugend nachgewiesen, dass viele prophetische Texte des Vorstellungskreises theozentrische Traditionen typologisch rezipiert haben (v.a. die Sinaitheophanie, Zionstraditionen, Traditionen um das Königtum YHWHs), um Gottes Anwesenheit zu inszenieren (Zapff 1995:72–83).7 Doch der Modus der Gottespräsenz beziehungsweise der Grad ihrer Direktheit und Unvermittelbarkeit variiert bereits in der ‚hebräischen Bibel’ teilweise gravierend. Obwohl die Theozentrik des großen Tages sich in der frühjüdischen Literatur nach C. Blumenthal sogar noch intensiviert (Vgl. dazu Blumenthal 2008:190; Wendebourg 2003:77), lassen sich gleich mehrere Brüche feststellen, wenn man die Tradition selbst historisch kleinschrittiger analysiert. Sie machen es auch mehr als anzweifelbar, dass 2 Thessalonicher 2:1–2 bei aller Kontinuität auf der gleichen Ebene anzusiedeln ist wie die Texte der Propheten.
Einer der wohl gravierendsten Auslöser solcher Wandlungsprozesse ist sicherlich das Bilderverbot gewesen, das in der Zeit des zweiten Tempels verstärkt zu greifen beginnt. Es führte letztendlich dazu, dass die großen theophanen Begleiterscheinungen der Prophetie, die in Jesaja 13; 34; Amos 5; Joel 2 und 3; Zefanja 1; Sacharja 14 und Ezechiel 38 den Tag des Herrn noch schmückten und ihn dadurch mit der Gegenwart Adonais gleichsetzten, allmählich verblassten (Oswald 2009:19–31). Bereits die Old Greek-Übersetzung jener Texte signalisiert diesen Wandel, insofern dort das Tetragramm bei Tag des Herrn-Formulierungen plötzlich vermieden und durch κύριος ersetzt wurde (Lanier 1988:70). Sehr viele Texte radikalisieren diese Tendenz sogar, indem sie selbst κύριος durch ein charakteristisches Adjektiv oder Subjektiv austauschen. Begleiterscheinungen der Theophanie, wie zum Beispiel Dunkelheit, Donner, Feuer, Rauch, Erdbeben et cetera, finden sich außerhalb der Schriftprophetie kaum und Beschreibungen des Tag des Herrn werden in der Zeit des zweiten Tempels wesentlich nüchterner. Gott tritt in diesen Texten in größere Distanz oder vielleicht besser: seine Präsenz wird andersartig in Sprache gebracht. Mutmaßlich bedingte dieser Prozess, dass sich der Traditionskreis in zweifacher Hinsicht neu strukturierte.
- Im Laufe des Traditionswachstums verliert der Tag des Herrn seinen Ereignischarakter. Er steht in jüngeren Texten nicht mehr selbst im Zentrum und das breit beschriebene mit großen Begleiterscheinungen ausgeschmückte Event rückt in den Hintergrund.8 Stattdessen mutiert der große Tag zu einem Raum für Ereignisse, oder vielleicht geschickter zu einer nüchternen ‚Datumsangabe’, die selbst nicht mehr in den schillernden Farben einer ‚prophetischen’ Theophanie entgegentritt (Wendebourg 2003:128). Wie es scheint, war dies auch der Grund dafür, warum in der Zeit des Zweiten Tempels nun verschiedene Traditionen, die sich in den יום יהוה-Texten der Schriftprophetie allerhöchstens im Ansatz abzeichneten, mit dem Tag des Herrn verschmolzen sind. Autoren konnten diese nun einfach am ‚Datum’ des Tags des Herrn stattfinden lassen. Spätestens seit der Henochliteratur lässt sich das in Maleachi 3 und Joel 4 lediglich angedeutete universelle Gericht nicht mehr vom Tag des Herrn trennen (1 Hen 1:7–8; 10:6; 19:1; 22:4; 63:8; 92:4; 97:3; aber auch PsSal 15:12; TestLev 1:1; 3:2) und wohl in der Hasmonäerzeit gesellten sich allmählich verschiedene Formen einer Totenauferstehnung, die am großen Tag stattfindet, noch dazu (PsSal 2:31; 3:12; 13:11; v.a. 14:9–10). Faktisch bedeutet dies, dass im Laufe der Tradition das Gottesbild unterschiedliche Sinnspitzen erhalten hat. Theophanieelemente verblassten, wohingegen Gottes endzeitliches Handeln in Gericht und Auferstehung immer stärker betont worden ist (Wendebourg 2003:73, 134). Selbst in Texten des ersten und zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung finden sich abgesehen von Offbarung 6:12–17 und Apostelgeschichte 2:20: wo allerdings Joel zitiert wird, und eventuel Didache 16 keine auf den Tag selbst bezogenen Elemente aus der Theophanietradition mehr, die als seine expliziten Begleiterscheinungen die Anwesenheit Gottes signalisieren. Auferstehung und Gericht gehören im ersten und zweiten Jahrhundert hingegen fast zum Standardinventar des Vorstellungskreises (Mt 10:15; 11:22.24; 12:36; 1 Thess 4:13–18; 2 Pet 2:9; 3:7; 1 Joh 4:17; Jud 1:6 Offb 20:11–15; 2 Bar 49–51; OffbPetr 4) (Sommer 2015b:im Druck). Auch wenn wir von hier auf 2 Thessalonicher 2 blicken, so müssen wir bereits feststellen, dass der Tag des Herrn gänzlich ohne Begleiterscheinungen auskommt, jedoch nicht ohne Gericht (2 Thess 2:12). Das zweite Kapitel des Thessalonicherbriefs setzt somit eine bereits fortgeschrittene Stufe der Tradition voraus. Der Tag des Herrn in 2 Thessalonicher hat bereits eine andere Qualität als der Tag des Herrn des Dodekaprophetons.
- Bereits in der sogenannten ‚Prophetie’ steht Gott in manchen Texten in einem distanzierteren Verhältnis zur Welt als in anderen. Vor allem in jüngeren Texten bedient er sich, wahrscheinlich als eine Konsequenz des Bilderverbots, gewisser Mittlerfiguren. Dies ist bereits in Texten wie Exodus 38 oder Sacharja 14 erkennbar, wo Gott gezielt Fremdvölker als sein Werkzeug einsetzt, nimmt allerdings in Maleachi 3 erst richtig konkrete Züge an. Gott sendet hier, bevor der Tag des Herrn anbricht, einen Vorboten, den wiederkehrenden Elijah. Hiervon ist es nur ein kleines Stück bis zu dem Punkt, wo Aspekte des Messianismus und Teile der Tag des Herrn-Tradition miteinander zu verschmelzen beginnen. In der zweiten Tempelzeit findet sich zwar nicht immer, aber durchaus regelmäßig die Vorstellung, dass eine Messiasfigur am Tag des Herrn in Stellvertretung Gottes agiert, Gott also nicht mehr mittelbar selbst handelt. Die Psalmen Salomos (PsSal 17:33; 18:5), die Henochsliteratur (1 Hen 45:3; 61:5) oder aber auch Teile von 4 Esra legen hiervon Zeugnis ab (Wendebourg 2003:149–150). Von den Tag des Herrn-Texten des ‚Neuen Testaments’ ist diese Entwicklung nicht mehr wegzudenken, denn schließlich ist der Tag des Herrn dort der Tag der Parusie Christi (Wendebourg 2003:369). Insofern also ein Text mit dem Syntagma ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου die Wiederkunft des Messias assoziiert, reflektiert er hintergründig zwei Ausprägungen der Tradition, die sich im ersten Jahrhundert überlagert haben. (1) Im Zuge des Bilderverbots wird das Tetragramm durch κύριος ersetzt und (2) Formen des Messianismus überschneiden sich während der Zeit des zweiten Tempels mit dem Vorstellungshorizont. Das Wort κύριος ist also im ersten Jahrhundert bereits eine Andockstelle, um Messianismus und Christologie in der Tag des Herrn-Tradition miteinander zu kombinieren (Apg 2:20; 1 Kor 1:8; 5:5; 2 Kor 1:14; 1 Thess 5:2; 2 Thess 2:2; 2 Petr 3:10: ferner Röm 2:5). Beides deutet jedenfalls darauf hin, dass man zwischen dem Modus der Gottespräsenz in der Schriftprophetie und dem in 2 Thessalonicher 2:1–2 bei aller Kontinuität eine längere geschichtliche Entwicklung annehmen muss, die nicht ausgespart werden darf.
Der Tag des Herrn ist nah – Zeitmodelle der Tag des Herrn-Tradition
Hinter vielen der יום יהוה-Texte stehen ganz unterschiedliche Zeitmodelle. Dennoch lassen sich größere Linien einer Genese feststellen. Mehrere Brüche innerhalb eines Rahmens, in dem sich literarische Zeit- und Endzeitkonzepte überhaupt erst entfalten konnten, verweisen nebenbei bemerkt darauf, dass Baumert und Seewanns innergeschichtliche und spiritualistische Perspektive 2 Thessalonicher 2:1–2 relativiert oder zumindest hinterfragt werden sollte. Es gehört bereits zu den einleitungswissenschaftlichen Fakten, dass sich innergeschichtliche Tag des Herrn-Vorstellungen in jüngeren Texten auf die (geschichtliche) Zukunft hin öffneten. Frühe Texte wie Amos 5 konnten noch auf den Tag zurückblicken und von ihm als etwas bereits Geschehenes erzählen. Doch davon lassen sich schon sehr bald Texte abgrenzen, die zwar am Tag des Herrn immer noch eine Korrektur der Geschichte erwarten, allerdings diese auf die unmittelbarere oder mittelfristige Zukunft verlegen (z.B. Jes 2:12; 13:9; 34:8–9).9 Jüngere Texte der sogenannten ‚Schriftprophetie’ wie zum Beispiel Joel 3, Sacharja 14 oder aber auch Maleachi 3 hingegen schieben den Tag des Herrn immer mehr an den Rand der Geschichte (Barton 2004:68–79). Er leitete in ihnen sozusagen die Endzeit ein. Wahrscheinlich ist er auch deswegen zu einem mehr oder minder fixen Datum für die endzeitliche Schlacht, das letzte Gericht und die Totenauferstehung auserkoren worden, ein Aspekt, der sich in der Zeit des zweiten Tempels unaufhaltsam durchgesetzt hat. Daran gibt es kaum etwas zu rütteln. Wo allerdings durchaus differenziert werden muss, ist an der Art und Weise, wie in diesen Texten das Verhältnis zwischen Gegenwart und Zukunft bestimmt wird, denn bereits das ἐγγύς vieler (wohl jüngerer) prophetischer Tag des Herrn-Ankündigung (z.B. Joel 1:15; 2:1; 4:14; Ob 1:15; Zef 1:7, 14; Jes 13:6) wird unterschiedlich weit gedehnt und Abstände von der Gegenwart zum großen Tag sind von Text zu Text variabel. In den Texten des ersten und zweiten Jahrhunderts ist der große Tag ausnahmslos ein Ereignis der Endzeit, wobei sich auch hier ganz unterschiedliche temporale Relationen unterscheiden lassen. So sind die paulinischen ἡμέρα-Texte zum Beispiel von den wechselhaften Ausprägungen seiner Naherwartung, beziehungsweise von Brüchen seiner ‚schon jetzt – noch nicht’ Eschatologie geprägt (Konradt 2003:521–523). Auch an dem ὡς κλέπτις-Vergleich (1 Thess 5:2.4; 2 Petr 3:10; Offb 3:3; 16:15), der fest in der Tag des Herrn-Tradition des ersten und zweiten Jahrhunderts eingebrannt ist, zeigt sich aus rezeptionsgeschichtlicher Perspektive deutlich, dass Zukunfts- und Zeitmodelle von Text zu Text anders ausfallen. Offenbarung 6:12–17 wählt mit der Formulierung ???τι ???λθεν ἡ ἡμέρα ἡ μεγάλη τ??ς ὀργης αὐτοῦ sogar nochmals einen eigenen Weg. Johannes blickt zwar auf den Tag des Herrn zurück (e??ρχομαι im Aorist), diese Retrospektive findet allerdings innerhalb einer diese Verse überlagernden Zukunftsutopie statt. Eines bleibt jedenfalls diesen Texten gemeinsam, sie schildern den Tag des Herrn futurisch und lassen an ihm Ereignisse der Endzeit stattfinden. Geschichtlich ist der große Tag jedoch insofern, da die einzelnen Texte, die Spanne der Geschichte bis zum endzeitlichen Tag Gottes von ihm her deuten wollen (Wendebourg 2003:373). Er ist also streng genommen, wenn man einen kleinstmöglichen gemeinsamen Nenner seiner Belege suchen möchte, ein endzeitliches Korrektiv der Geschichte.
Wenn nun Baumert und Seewann den ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου nicht nur innergeschichtlich verorten, sondern von dieser Perspektive aus 2 Thessalonicher 2:1–2 als Ausdruck einer ‚gemachten’ Gotteserfahrung interpretieren, brechen sie gleich in mehrfacher Hinsicht mit der Tradition. Will man die unterschiedlichen Zeitmodelle der Prophetie überhaupt über einen Kamm scheren, so haftet ihnen doch ein gewisses futurisches Moment an. Ab der Zeit des zweiten Tempels und in der Literatur des ersten und zweiten Jahrhunderts überwiegen doch fast ausschließlich endzeitliche Zeitkonzeptionen, mit denen die Geschichte kritisch erschlossen und zu steuern, beziehungsweise zu korrigieren versucht wird (wie auch immer dies ausgestaltet worden ist). Soll hinter dem Autor von 2 Thessalonicher ein Kind seiner Zeit vermutet werden, dann würde es doch eher ins (historisch plausible) Bild passen, ἐνέστηκεν ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου (2 Thess 2:1–2) als eine Debatte um Zukunftskonzeptionen im Kontext der Naherwartung aufzufassen, statt auf eine spirituelle Krise hin zu interpretieren. Individualität und Kollektivität von Tag des Herrn-Reden – der Tag des Herrn als Tag des Gerichts
Individualität ist ein ausschlaggebender Stützpfeiler von Baumert und Seewann,10 doch ist ein individuelles Moment der Gottesbegegnung den יום יהוה-Texten der Schriftprophetie gelinde gesagt fremd. Zudem entwickelte sich eine gewisse Individualität untrennbar im Zusammenhang mit der Eschatologisierung der Tradition, insofern sich Gerichtsaussagen zunächst auf Gruppen und im ersten Jahrhundert mehr und mehr auf Einzelpersonen zuspitzten. Dies hängt damit zusammen, dass in die Tag des Herrn-Texte ab der Zeit des zweiten Tempels literarische Ausschlussmechanismen integriert worden sind, die identitätsstiftend funktionieren, indem sie über futurische Lohn- und Strafperspektiven versuchen die Gesinnung oder das Verhalten von Gruppen oder Teilen von ihnen zu steuern (Sommer 2015b:im Druck). Innerhalb der Schriftprophetie hingegen war der Tag des Herrn in den ältesten Texten wie in Amos 5:18–27 oder in Jesaja 2:5–21ausschließlich an Israel gerichtet. Erst in exilisch-nachexilischen Texten entstanden Tag des Herrn-Reden, die die Völkerwelt mit in den Blick genommen haben (z.B. Zef 2:4ff.; Jes 13; 34) (Stettler 2011:68–71; Wendebourg 2003:73). In der nachexilischen Zeit entstanden zum Teil durch Fortschreibung Texte, die sowohl mit einer von JHWH erwirkten Heilsmöglichkeit für Teile der Völker als auch parallel dazu mit einer Läuterung Israels rechneten (Ob 11–21; Zef 1:4; 2:4–6; Sach 14:1–12; Joel 2:1; 4:1–3). Heils- und Unheilsperspektiven traten also nebeneinander (Zef 3:8–13; Sach 14:16–19; Joel 3:5; 4:16, 17, 21) (Schwesig 2006:85–87; Wendebourg 2003:75; Zapff 1995:94), Heilsmöglichkeiten wurden auf kleinere Teile der angesprochenen kollektiven Größen Israel und Völker zugeschnitten und an den schmalen Grat zwischen Heil und Unheil schlossen sich Bedingungen und Umkehrforderungen an (Müller 2008:112–115; Stettler 2011:68–71; Sommer 2015b: im Druck). Diese Konstellation, die zum Beispiel in Joel, Obadja, Zefanja und Trito-Sacharja zu erkennen ist, spitzte sich zu. Dadurch entstand eine Grundlage dafür, an den Tag des Herrn Gerichtsvorstellungen mit teilweise individuellen Zügen anzuschließen. Maleachi 3 ist hierbei ein Schwellentext, der zwar noch nicht von einer Gerichtsverhandlung spricht, allerdings alle dafür notwendigen Grundelemente nennt. Nach ihm werden am Tag des Herrn am Ende der Geschichte Gerechte von Frevlern anhand ihrer präsentischen Toraobservanz unterschieden. Spätestens seit der 1 Henoch hat sich der Tag des Gerichts durchsetzen können, wobei der Grundmechanismus von Maleachi 3 bis ins zweite Jahrhundert fast gleichgeblieben ist (Wendebourg 2003:55–56). Er wird lediglich verfeinert. So werden die Drohszenarien verschiedenartig ausgebaut (z.B. fügt die Petrusapokalypse ein gesamtes Höllenszenario ein, dass denen droht, die gerichtet werden) (Henning 2014) oder die Identitätsgrundlagen, die als Maßstäbe der Verhandlung dienen, variieren von Kontext zu Kontext. Dennoch wird in allen mir bekannten Texten die Gegenwart über Ausschlussmechanismen eines zukünftigen (End)Gerichts zu steuern versucht. Dies ist der Punkt, an dem auch die größten Individualisierungsprozesse der Tradition zu finden sind (Wendebourg 2003:133), da vor allem die Texte des ersten und zweiten Jahrhundert immer mehr davon sprechen, dass jedes einzelne Individuum vor Gott Rechenschaft für seine Taten ablegen muss (Jud 1:15; Offb 20:13; OffbPetr 4–6). Individualisierung geht also damit einher, am Tag des Herrn die Ereignisse der Endzeit stattfinden zu lassen. Von daher sehen wir Baumerts und Seewanns Bestreben, aus den Texten der Schriftprophetie ein Moment individueller Gottesbegegnung herauszulesen und auf 2 Thessalonicher zu übertragen, äußerst kritisch. Dazu kommt noch, dass 2 Thessalonicher 2:12 (???να κριθ??σιν πάντες οἱ μ?? πιστεύσαντες τ??? ἀληθείa? […]) eine Entwicklung voraussetzt, die in den Texten des ‚hebräischen Alten Testaments’ nicht zu finden ist.
Der Kontext von 2 Thessalonicher 2:1–2
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Auch der Kontext von 2 Thessalonicher 2:2 lässt unseres Erachtens nach die Deutung Baumert und Seewann unwahrscheinlich erscheinen. Dabei ist uns zunächst einmal noch nicht der unmittelbare Blick in Vers 1 wichtig, sondern der Rückgriff auf Kapitel 1, wo wir in Vers 10 von ‚jenem Tag’ lesen. Dieser Tag wiederum kann zumindest wegen der Rede von der ‚Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel mit den Engeln seiner Macht’ (2 Thess 1:7) unseres Erachtens nach nur noch schwer auf ein innergeschichtliches, rein auf das Leben der Gemeinde oder gar die spirituelle Erfahrung einer Einzelperson bezogenes Ereignis angewandt werden. Trotzdem lesen wir bei Baumert und Seewann (2014):
Es klingt schon eigenartig, dass eine Erleichterung der gegenwärtigen Bedrängnis der Adressaten erst am Jüngsten Tag in Aussicht gestellt wird … und der Autor selbstverständlich annehme, dass er und seine Mitarbeiter zusammen mit ihnen dazugehören würde … Und dies werde wiederum erwiesen durch die ‚drei präpositionalen Ausdrücke: vom Himmel, mit seinen mächtigen Engeln und flammendes Feuer‘ … Aber wenn eine Theophanie von ‚Engeln‘ begleitet ist, dann sind diese ein Hinweis auf die Art des Wirkens Gottes, nicht notwendig auf den Jüngsten Tag. (S. 125)
Dass die Verse 6–7 in deutlicher Anlehnung an Jesaja 66:6 LXX formuliert sind oder die Rede von den ‚Engeln seiner Macht’, die den offenbarten Herrn Jesus begleiten, ihre Ursprünge bereits in Sacharja 14:5 findet, wobei das in der LXX-Fassung begegnende μεt? α??τοῦ im frühen Christentum gern auf den als Kyrios verstandenen Christus umgedeutet wurde, wird nicht bedacht. Noch eindeutiger wird der apokalyptische Horizont vor dem Hintergrund eines Textes wie 1 Henoch 1:9: wo wir lesen, dass der Herr ‚mit 10 Millionen seiner Heiligen (= Engel) erscheinen wird’; zu denken wäre wohl auch an (das aber sicherlich erst nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 entstandene) 4 Esra 7:28: welcher schon vom Kommen ‚meines Sohnes/meines Knechtes, des Messias’, zusammen ‚mit denen, die bei ihm sind’, spricht. Ob damit Engel gemeint sind, bleibt unklar, möglich ist auch eine Deutung auf zum Himmel entrückte große Gestalten Israels (z.B. Elija, Henoch, Baruch).11
Vor diesem Hintergrund relativieren sich unseres Erachtens auch die Überlegungen Baumerts und Seewanns zur Bedeutung des in 2:1 begegnenden Nomens παρουσία. Anstelle des üblichen ‚Ankunft’ (im technischen Sinne von ‚Parusie’; vgl. z.B. die EÜ) übersetzen Baumert und Seewann ‚Gegenwart’ – mit anderen Worten: dem Text gehe es um die Frage an die Mitglieder der Gemeinde, ‚ob sie die „Gegenwart des Herrn“ Jesus Christus richtig erkennen und deuten’ (Baumert & Seewann 2014:125). Dies wiederum wird in M-I. Seewanns Monographie mit ausführlichen semantischen Überlegungen begründet; die Durchsicht der Passagen, die üblicherweise als Belege für die Bedeutung ‚Ankunft’ verwendet werden, zeigt meines Erachtens tatsächlich, dass παρουσία kaum einmal für den ‚Moment des Eintreffens’ beziehungsweise den ‚Eintritt der Anwesenheit’ (Seewann 2013:20) steht. Dass der Begriff jedoch im Zusammenhang mit dem Eintreten der Endereignisse verwendet werden kann – so zum Beispiel ganz klar in Matthäus 24:3, kann auch Seewann nicht abstreiten. Dass die entscheidende Bedeutungsnuance vielleicht weniger auf dem Moment der Ankunft, als vielmehr dem ‚Erscheinen’ beziehungsweise ‚Aufscheinen’ liegen mag (Seewann 2013:56), halte ich auch auf dem Hintergrund seiner Verwendung in pagan-religiösen Kontexten ‚als sakraler Ausdruck für das Hervortreten der verborgenen Gottheit, die ihre Gegenwart durch Machtentfaltung erweist oder der im Kult als anwesend gefeiert wird’ (Bauer, Aland & Aland 1988:1050) für wahrscheinlich. Es begegnet auch im (soweit man religiöse und nichtreligiöse Bereiche überhaupt trennen kann) nichtreligiösen Bereich, steht dabei für ‚Anwesenheit’ beziehungsweise ‚vorübergehenden Aufenthalt’ und wird dabei interessanterweise vor allem in Bezug auf Könige, Kaiser und wichtige Beamte gebraucht (Kreinecker 2010:154). Es ist hier also weniger das Bild einer Offenbarung vom Himmel her als das Erscheinen, die Anwesenheit einer Person, die mit einer gewissen Macht und Autorität ausgestattet ist, angesprochen. Selbst wenn man im Zusammenhang mit der paulinischen Verwendung des Begriffs noch nicht von einem Terminus Technicus sprechen möchte, der das endzeitliche Wiedererscheinen Christi beschreibt, so denke ich doch, dass wenigstens eine Passage wie 1 Korinther 15:23 – im Kontext der Vorstellung endzeitlicher Totenauferweckung und der Übergabe der Herrschaft an den Vater (V. 24) nur schwer ohne einen eschatologischen Bezug auskommt. Will man 2 Thessalonicher 2:1 auf das endzeitliche Wiedererscheinen Christi beziehen, dann entsteht auch eine klarere Verbindung zum 1. Kapitel, das unseres Erachtens nicht einfach verdrängt werden sollte: παρουσία ist dann in Bezug zu setzen zur in 1:7 erwähnten ἀποκάλυψις – die beiden Begriffe haben dann durchaus unterschiedliche Assoziationen, interpretieren einander dann jedoch gegenseitig. Dass das ἐνέστηκεν der Gegner (2 Thess 2:2) und die Betonung der ὑπερμονή, in der Bedrängnis zudem einen Gegensatz bilden, der erklärt, warum Kapitel 1 dem Kapitel 2:1–3 vorausgeht, wurde oben bereits angesprochen.
Folgerungen für die eigene Interpretation
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Was mit dem Satz ἐνέστηκεν ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου ganz genau gemeint ist, bleibt damit jedoch noch offen. Das Verbum e?ν??στημι (im Neuen Testament [NT]: Röm 8:38; 1 Kor 3:22; 7:26; Gal 1:4; 2 Tim 3:1) steht im Imperfekt für ‚vorhanden sein/gegenwärtig sein’ (Bauer et al. 1988); die hier verwendete Perfektform kann im Grunde nur aussagen, dass der ‚Tag des Herrn da’ ist.12 Was aber bedeutet dies, wenn wir unter ‚Tag des Herrn’ tatsächlich ein Ereignis der Endzeit verstehen, das sich mit dem in Kapitel 1 ja beschriebenen Gericht verbindet? Kann es sein, dass ein solcher Tag des Herrn in einer Weise da ist, dass dies nicht für jedermann in gleicher Weise erkennbar wird? Die Frage hat die Kommentatoren seit vielen Jahren beschäftigt. Zumindest nicht auf den ersten Blick vollkommen auszuschließen ist der Gedanke, dass der Text gegen Formen extremer Vorstellungen präsentischer Theologie polemisiert, wie sie etwa in Teilen des Johannesevangeliums (vgl. z.B. Joh 3:18f.; 5:24f.; 11:25; 14:28, 23) begegnet, dort aber immer wieder mit Elementen futurischer Eschatologie konfrontiert und so korrigiert sind.13 Ähnliches aber findet sich – dann aber weniger auf den ‚Tag des Herrn’, sondern auf die ‚Auferstehung’ des Einzelnen bezogen – in Hinweisen auf ‚gnostische’ oder ‚gnostisierende’ Texte und Autoren ab der Mitte des 2. Jahrhunderts.14 Im Rahmen des Neuen Testaments mag hier zunächst an die in 2 Timotheus 2:17–18 erwähnten (und weiter nicht bekannten) Hymenäus und Philetus zu denken sein, denen unterstellt wird, sie behaupteten, die Auferstehung sei bereits geschehen (λέγοντες τ??ν ἀνάστασιν ???δη γεγονέναι).15 Aus der apokryphen Evangelienliteratur mag an Logion 51 des Thomasevangeliums erinnert werden, wo es heißt (Schmithals 1965:147–148; Trilling 1980:78):
Seine Jünger sprachen zu ihm: An welchem Tag wird die Ruhe der Toten eintreten? Und an welchem Tag kommt die neue Welt? Er sprach zu ihnen: Jene (Ruhe), die ihr erwartet, kam (bereits); ihr aber kanntet sie nicht. (Thomasevangelium Logion 51)
Neben den bereits bei W. Schmithals erwähnten Belegen (Schmithals 1965:146–150) bei Irenäus, Adversus haereses I 23:5 (im Menander-Referat), Adversus haereses III,31:2, sowie den Hinweisen bei Tertullian, De resururrectione mortuorum 19 ist auch an Hippolyts Naassenerreferat (ref. 5:8:36) zu denken. Auch das (üblicherweise als valentinianisch eingeordnete) Philippusevangelium (NHC II,2: hier 73:1–5; 2. oder 3. Jh.) oder der Brief des Rheginus (NHC I,4) verstehen die im jetzigen Leben erfolgte Gnosis schon als ‚Auferstehung’. All diese Anschauungen aber sind, anders als 2 Thessalonicher 2:2 offensichtlich voraussetzt, sicherlich kaum aus paulinischem Gedankengut (und erst recht nicht aus 1 Thess 4) ableitbar, zudem spät belegt; vor allem aber steht in den allermeisten Fällen individuelle Eschatologie – die Gnosis der Einzelperson, die zu ihrer Rettung führt – kaum aber die Vorstellung eines mit dem ‚Tag des Herrn’ verbundenen Weltgerichts, das 2 Thessalonicher 2:2 ja wohl anspricht, im Vordergrund. Da auch die ab 2 Thessalonicher 2:3 folgenden Gedanken dem widersprechen, scheint uns dieser vereinzelt am Ende des 1. Jahrhunderts, sicherlich aber erst ab dem 2. Jahrhundert breiter belegte Gedanke kaum als Hintergrund des in 2 Thessalonicher 2:2 geäußerten verstehbar zu sein (Bruce 1982:165–166; Trilling 1980:78; Wanamaker 1990:240).
Viel wahrscheinlicher (und durchaus auch aus 1 Thess 4 ableitbar) erscheint, dass der Text sich hier mit der Vorstellung auseinandersetzt, dass der ‚Tag des Herrn’ bereits eingetreten, wenn auch nicht vollendet, sei und die Ereignisse des Endgerichts bereits in Gang gesetzt seien, wie dies Ernst von Dobschütz in seinem Kommentar vertreten hat (Von Dobschütz 1909:264–268). Die Gegner unseres Briefes wären dann sicherlich keine ‚Gnostiker’, sondern womöglich sich auf Paulus beziehungsweise paulinische Aussagen – eventuell 1 Thessalonicher – berufende frühchristliche Propheten und Apokalyptiker.16
Auch wenn die Rezeptionsgeschichte frühchristlicher Texte uns nichts über die Bedeutung sagen kann, die ihnen ihr antiker Autor beimaß, so können antik-christliche Interpretationen uns doch weiterhelfen, bestimmte Leseweisen als im Zeitkontext möglich zu verstehen: Was das heißen könnte, zeigt sich recht konkret in einer auch bei W. Trilling angesprochenen Passage aus Hippolyts Danielkommentar (Trilling 1980:79–80), Kommentar zu Daniel 4:19. Der Bischof von Pontus kündigt aufgrund von Traumvisionen das Kommen des göttlichen Endgerichts innerhalb eines Jahres an. Hippolyt schildert nun die von Furcht und Schrecken bewegten Reaktionen der Gläubigen, da er prophezeit habe, ὡς ??τι ἐνέστηκεν ἡ ἡμέρα τοῦ κυρίου, greift damit also wörtlich 2 Thessalonicher 2:2 auf, um die Prophezeiung aus Pontus zu beschreiben. Dies beweist natürlich noch nicht, dass 2 Thessalonicher 2:2 in diesem Sinne gemeint sein muss, zeigt aber, dass die Formulierung im Sinne der Auslegung bei von E. von Dobschütz gedeutet werden kann, dass hier nicht ‚wirkliche Gegenwart’ gemeint ist, sondern ‚die fast zur Gegenwart gewordene Zukunft’ gemeint sei (Dibelius 1937:29; Von Dobschütz 1909:267).17 Nur so aber, wenn die Gegner das unmittelbar bevorstehende, zeitlich determinierte und damit die Gegenwart schon vollständig bestimmende, unaufhaltsame In-Gang-Setzen des ‚Tags des Herrn’ meinen,18 ist überhaupt auch die Reaktion vermittelst eines Briefes überhaupt noch nachvollziehbar. Welche Gruppen konkreter damit gemeint sind, können wir zumindest für das 1. Jahrhundert (bzw. die Zeit der Entstehung des 2 Thess, den wir an das Ende des 1. Jahrhunderts ansetzen) nicht sagen; im zweiten Jahrhundert begegnet uns Vergleichbares jedoch besonders in der ‚neuen Prophetie’ der Montanisten.19
Vor dem Hintergrund dieser Vorstellung wird nicht nur das in 2:1 angedeutete Erschrecken der Gemeinde nachvollziehbar, sondern lässt sich auch verstehen, warum im 1. Kapitel die Gemeinde zum Durchhalten in Verfolgung und Bedrängnis (1:4) beschworen und die jetzige Situation als Indiz im Hinblick auf das kommende Gericht ausgewertet wurde (1:5). Eventuell ist auch die mehrfache Betonung der Gerechtigkeit des kommenden Gerichts dahingehend Reaktion darauf, dass eine Gemeinde, die die Phase des Endgerichts als bereits angebrochen versteht, ihre jetzigen Leiden als Strafe auffasst – eine Deutung, die der Uminterpretation bedarf. Dann aber muss der Brief tatsächlich nicht nur als Antwort auf eine Bedrohung paulinischen Erbes beziehungsweise paulinischer Autorität verstanden werden, sondern als Schreiben, das auf eine dramatische Krise hin reagiert20 und das mit Hilfe der pseudepigraphisch angeeigneten Autorität des Paulus das Erbe des Paulus zu retten sucht, indem es in dessen Namen paulinische Eschatologie in eine neue Zeit hinein fortschreibt.
Konkurierende Interessen
Die Verfasser erklären hiermit, daß sie keinerlei finanzielle oder persönliche Bindungen haben, die sie zweckwidrig beim Schreiben dieses Artikels beeinflussten. Verfasser Beiträge
T.N. (University of Regensburg) setzte sich mit den Positionen von N. Baumert und M.-I. Seewann zur Tag des Herrn-Vorstellung in 2 Thessalonicher auseinander und stellte die Frage, ob ihre Meinung der Eschatologie des Briefes gerecht wird. M.S. (Martin-Luther-Universität) kritisierte ihre Sicht, indem er ihre Auslegung des Tags des Herrn mit der Entwicklungsgeschichte des Traditionsfeldes verglich.
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1. Die wichtigste Arbeit, die sich mit diesem umstrittenen und mysteriösen Begriff beschäftigt, und dabei auch eine ausführliche Auslegungsgeschichte vorgelegt hat, ist Metzger (2005).
2. Im Grunde verbindet sich mit den Gedanken der beiden eine grundsätzliche Absage an die Vorstellung, die frühesten christlichen Gemeinden hätten in einer Haltung der Naherwartung gelebt.
3. Hierzu wird zusätzlich ausführlich der Kommentar von Fee (2009), herangezogen: siehe Baumert und Seewann (2014:95–97).
4. Der gewichtigste Kommentar, der 2 Thessalonicher als echt betrachtet, geht sicherlich auf Malherbe (2004) zurück.
5. Die wichtigsten Argumente scheinen uns einerseits in der Nachahmung von 1 Thessalonicher zu liegen, die eine große (auch zeitliche) Nähe zu dieser Schrift nahelegt, gleichzeitig aber andererseits erheblichen Unterschieden in der Eschatologie, Christologie, Ekklesiologie, Ethik unter anderem – Zum christologischen Argument vergleiche Nicklas (2013:229–238).
6. Dafür spricht das Motiv des Zornes, das mit dem Motiv des großen Tages verschmolzen ist (Jes 13:5; 63:3.5; Jer 50:25; Ez 7:2.8.13f.19; 13:13.15; 22:24; Zef 1:15; 3:8; Thren 1:12; 2:1.21). Es findet sich zum Beispiel auch in 1 Henoch 19:1; 94:9; 96:8; 98:10; 99:4; Jubiläen 16:19; 22:21; 24:30.33; 36:10; Kriegsrolle I,9ff.; XIII, 14ff.; Damaskus Dokument VIII,3; Sibyllinische Orakel III, 327; PsSal 14:9; 15:12; 4 Esra 12:33.
7. Zapff setzt sich mit H. Irsigler und H.D. Preuss auseinander (Norin 2009:34).
8. In der postprophetischen Literatur finden sich nur in 1 Henoch 1:1–9 und im Sibyllinischen Orakel 5:344–352 derartige Motive.
9. Dies wird in der LXX reflektiert, da Jesaja 2:12 (LXX) finite Verben im Futur gebraucht. Gleiches ist auch in Jesaja 34:9 (LXX) zu beobachten.
10. Besonders auffallend sind etwa die Überlegungen zu 1 Korinther 5:5: wo die Rede vom ‚Tag des Herrn’ in Zusammenhang mit dem aus der Gemeinde zu verstoßenden Mann, der mit der Frau seines Vaters zusammenlebt, als ‚wenn die Präsenz Gottes in seinem Leben plötzlich aufleuchtet und er nun klar und völlig neu sieht’ (Seewann 2013:112) gedeutet wird und der Tag des Herrn als ‚Tag einer neuen Chance’ (Seewann 2013:113) verstanden ist. In ähnlicher Weise wird der in 1 Korinther 1:8 begegnende ‚Tag unseres Herrn Jesus [Christus]’ nicht auf das Weltenende bezogen, sondern sei als einen Moment innerer Begegnung mit Christus, Warten auf die eigene innere Begegnung mit Christus, der gegenüber man gefestigt sein muss, zu verstehen? Was in als ‚Gericht im Gewissen’ (Seewann 2013:114) zu verstehen. Doch ist das Zueinander von Worten und Wendungen wie a?πεκδe?χεσθαι, a?ποκa?λυψις, e??ως τe?λος wirklich als ein Warten auf die eigene innere Begegnung mit Christus, der gegenüber man gefestigt sein muss, zu verstehen? Was in 1 Korinther 5:5, wo es ja um eine Einzelperson geht, von der tatsächlich noch in irdischer Zukunft so etwas wie Umkehr zu erhoffen wäre, noch erwägenswert scheint, lässt sich meines Erachtens hier, in 1 Korinther 1:8 nicht mehr nachvollziehen. Ist es wirklich paulinisch, dass diejenigen, die eben noch kollektiv als ‚Geheiligte in Christus’ beziehungsweise ‚berufene Heilige’ (1 Kor 1:2) angesprochen wurden, alle in gleicher Weise noch auf eine mit einer Christusbegegnung verbundenen Vorstellung ‚Gerichts im Gewissen’ hoffen? Ähnlich argumentieren ließe sich etwa auch im Falle von Philipper 1:6: wo die gesamte Gemeinde der ‚Heiligen in Christus Jesus’ (1:1) darauf angesprochen wird, dass der Gott, der bei ihr bereits das gute Werk begonnen hat, es ‚bis zum Tag Jesu Christi’ vollenden werde (e?πιτελe?σει). Müsste im Verständnis Seewanns nicht der Tag Jesu Christi bereits ein zurückliegender sein – also der Tag der Umkehr zu Christus, wie sie etwa für die Heidenchristen aus Thessalonich in 1 Thessalonicher 1:9–10 beschrieben ist? Ist die Vorstellung, dass ein bereits der Christusgemeinde angehöriger Mensch noch der eigenen inneren Berufung beziehungsweise Begegnung mit Christus bedarf, um eine entscheidende Lebenswende zu erfahren, nicht vielleicht einem unbewussten Anachronismus zu verdanken, der die Lebensverhältnisse heutiger Gemeinden voraussetzt?
11. Weiterführend Stone (1990:172, 215), der allerdings in Nummer 54 einräumt: ‘It may also draw on the angelic host which is to accompany the Messiah.‘
12. Mit Recht weist Trilling (1980:78) Versuche ab, hier mit ‚nahe sein’ oder‚ bevorstehen’ zu übersetzen.
13. Zur Eschatologie des Johannesevangeliums grundlegend Frey (1997, 1998, 2000).
14. Zu ‚gnostischen’ Eschatologien – beide Termini sind sicherlich problematisch – vergleiche Nicklas (2011:601–628).
15. Die Frage, ob wir hier schon den religionsgeschichtlich bekanntlich überaus problematischen Begriff ‚gnostisch’ anwenden können, darf hier offen bleiben.
16. Müller (2001:264) spricht hier vom ‚apokalyptische[n] Fieber’ des ausgehenden 1. Jahrhunderts. Vergleichbare Phänomene aber sind sicherlich nicht (nur) als auf diese Zeit beschränkt zu sehen.
17. Dieses Verständnis des Textes wird zwar gerne kritisiert, letztlich kommen dann aber auch Kritiker dieser Position eigentlich immer zu einer der bei von Dobschütz (1909:267) angegebenen Alternativen: ‚Aber „der Tag des Herrn ist da“ paßt wörtlich gefaßt schlechterdings nicht in die Situation der Leser: entweder muß das Subjekt oder das Verbum in abgeschwächter Bedeutung genommen werden. Daß der Tag des Herrn im eigentlichen Sinne als der Tag des Gerichts und der Erlösung schon angebrochen sei, kann unmöglich die Meinung der in schwerer Drangsal schmachtenden Christen gewesen sein; nach alttestamentlicher und urchristlicher Auffassung gehört zum Herrntag ein solches Maß an äußerlich wahrnehmbarer, tiefeingreifender, weltumgestaltender Wundervorgänge, daß kein Christ jener Zeit das „er ist da“ aussprechen konnte im Sinne des „wir leben bereits in ihm”.’ – Autoren wie Wanamaker (1990:240) kritisieren zwar die von Dobschütz vorgeschlagene Deutung der Verbform, deuten dann aber die Szene so, als ginge es dabei nur um das Bewusstsein, sich in der Zeit endzeitlicher Wehen vor der Parusie (ebd. 240) zu befinden. Diese sind aber vom eigentlichen ‚Tag des Herrn’ durchaus zu differenzieren. Ein solches Verständnis der eigenen Zeit würde wohl auch dem Verständnis unseres Briefautors nicht vollkommen widersprechen.
18. C.A. Wanamaker (1990:240) schreibt: ‘If the Thessalonians did in fact believe that the day of the Lord had come, they most likely understood it not as a literal twenty-four-hour period but as the final period of the present order culminating in the coming of the Lord Jesus.’
19. Zur montanistischen Bewegung weiterführend vergleiche Marjanen 2005:185-212 [Lit.]. – Deutlich weniger nahe scheint uns die in Eusebius von Caesarea, h.e. 6:7 erwähnte (und bei Autoren wie Bruce [1982:165] und Witherington III [2006:215] als Parallele angeführte) Situation, dass Christen zur Zeit der Verfolgung unter Septimius Severus bereits von der Parusie des Antichristen ausgegangen seien.
20. Trilling (1980:79) formuliert in diesem Zusammenhang folgendermaßen: ‚[M]an konnte durchaus sagen: Es ist soweit, das Endgeschehen kommt in Gang. Dann werden die Aufregung, ja der Schrecken verständlich. Man muß versuchen, die Wucht einer solchen Behauptung zu empfinden, um den Einsatz des Autors und den Gebrauch seiner Mittel, einschließlich der “Fälschung”, in etwa ermessen zu können. Haben die Leute recht, die solches behaupten, dann musste das auf die Gemeinden revolutionierend wirken. Haben sie aber nicht recht und bleibt aus, was sie ansagten, nimmt der Glaube Schaden und die Sache des Christentums wird lächerlich vor aller Welt.’
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