In times of a pandemic, quarantine and physical distance are acts of charity. Leviticus 13–14 show that even in biblical times such measures served to protect the community. But they also lead to the danger of loneliness or even depression. Physical distance must not become social distance. For believers, the Psalms can be a way of bringing the distress before the punishing and healing God. They are a proven way out of the lament to rejoice in the relationship with God. But this change of mood is not an automatism, but a prayer process in the hope of God.
A theological perspective on Covid-19 is given by bringing the current experiences of quarantine and loneliness in times of pandemic into dialogue with biblical texts.
Es gibt keine Grenzen und keine Unterschiede zwischen Völkern – zumindest nicht für einen Krankheitserreger in Zeiten einer Pandemie. In solchen Zeiten ist eine klare Grenzziehung durch Menschen ein Akt der Sorge um den Nächsten und die Gesellschaft. Soziale Distanzierung, Quarantäne und Ausgangssperren zertrennen eine Gesellschaft zu deren Wohl. Die zwischenmenschliche Distanz wird zum Erkennungszeichen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Dies wirkt radikal und surreal, doch diese Maßnahmen haben sich seit biblischen Zeiten bewährt. Die Kehrseite dieser Beschränkungen ist jedoch die Gefahr der Vereinzelung und Vereinsamung bis hin zur Depression der Menschen. Die Psalmen bieten dagegen Vertrauen auf den strafenden und heilenden Gott und aus ihnen ist eine Glaubenslehre für das Verhalten während einer Pandemie zu ziehen.
Gemeinschaft ist kein Heilmittel im Falle einer ansteckenden Krankheit. Schon das Buch Levitikus spricht da eine deutliche Sprache betreffs eines Infizierten: ‘Alle Tage, an denen das Anzeichen an ihm ist, sei er unrein. Unrein ist er. Allein wohne er, außerhalb des Lagers sei sein Wohnsitz’ (Lev 13:46). Zum Schutz der Gemeinschaft muss der Einzelne isoliert werden. Radikal wird gar gefordert, dass er seine Mitmenschen selbst vor sich warnt. ‘Unrein! Unrein!’ soll er ausrufen und so in seiner Abgeschiedenheit die Distanz aufrechterhalten (V. 35).
Die in Levitikus 13–14 behandelte Krankheit wird als צרעת bezeichnet. Aus den biblischen Texten ist es nicht möglich, sie mit einer heute bekannten, spezifischen Krankheit zu identifizieren – auch nicht mit Lepra. Es ist eine ‘
In Levitikus 11–15 und im Besonderen im Falle von צרעת liegt der ‘Unreinheit’ keine Sünde zugrunde (siehe dazu ausführlich Baden & Moss
Wenn du auf die Stimme JHWHs, deines Gottes, hörst und tust, was in seinen Augen recht ist, wenn du auf seine Gebote hörst und alle seine Satzungen hältst, dann werde ich all die Krankheiten, die ich nach Ägypten gebracht habe, nicht über dich bringen. (v. 26)
In dem im Alten Testament entstehenden Monotheismus konnte sich der theologische Gedanke entwickeln, dass der eine Gott auch verantwortlich für die Krankheiten und die Erkrankung ist. Die Problematik eines solchen Gottesbildes im Angesicht des unbegründeten Leids tritt zum Beispiel deutlich hervor in der Klage des gerechten Ijob gegen das Gottesbild eines grausamen, Krankheiten verursachenden Gott (siehe Ijob 9:16–18). Krankheitserreger aber kennen keinen Gott; sie kennen nicht einmal Unterschiede zwischen Arm und Reich, Sünder oder Heiligen. Wenn man also nicht dem unaufgeklärten Fatalismus des sogenannten Tun-Ergehen-Zusammenhangs folgt und nicht in ein Muster verfallen will, das eine Epidemie als eine Gottes Strafe erklärt, sondern der Epidemiologie seinen Glauben schenkt – sind dann gesundes Gottvertrauen und ein Stoßgebet nicht absurd? Wer glaubt heute schon noch der Zusage des biblischen Weisheitslehrers Jesus Ben Sirach (Sir 38)?
Kind, in deiner Krankheit sei nicht unachtsam, sondern bete zum Herrn und er selbst wird dich heilen! Beseitige einen Fehler und bereite die Hände! Reinige das Herz von allen Sünden! (vv. 9–10)
Wer jedoch einen langen Atem hat und auch gewillt ist, mehr als nur einzelne Bibelverse zu lesen, lernt bereits bei eben diesem Weisheitslehrer, was ein gesundes, ‘aufgeklärtes’ Gottvertrauen ist, denn er mahnt: ‘Gib dem Arzt seinen Platz, denn auch ihn hat der Herr erschaffen! Er bleibe dir nicht fern, denn er ist notwendig!’ (Sir 38:12).
In der biblischen Zeit grundgelegt und bis heute Teil der Gebetspraxis ist die enge Verbindung von Sünde und Krankheit: ‘JHWH, sei mir gnädig! Heile mich doch, denn an dir habe ich gesündigt’ (Ps 41:5). Die Hoffnung des Beters auf Heilung richtet sich auf die Vorstellung Gottes als Arzt (siehe Ps 6:3; 30:3; 60:4; 107:20; 147:3) und zugleich ist er sich bewusst um seine Schuld als Ursache der Krankheit. In vielen Psalmen findet der Glaube Ausdruck, dass der Mensch das Urteil Gottes gegen ihn am Leib erfährt – dass seine Sünden ihm in die Schmerzen eingeschrieben sind: ‘Nichts blieb gesund an meinem Fleisch, weil du mir grollst; weil ich gesündigt, blieb an meinen Gliedern nichts heil’ (Ps 38:4; siehe auch Ps 32:2–3). Heilung, ja, Glückseligkeit verheißt scheinbar nur das Sündenbekenntnis. Dies ist kein Urteil Dritter! Kein Freund, kein Feind und kein Seelsorger thematisiert in den Psalmen die Verbindung zwischen einer Krankheit und dem Zorn Gottes. Wenn es eine psychosomatische Verbindung geben sollte, so wird sie zumindest in den Psalmen im Gespräch des Kranken mit Gott thematisiert – nicht von anderen. Diese Dimension einer Krankheit ist persönlich – kein Dritter kann sie einsehen (siehe Hinz
Klaus Seybold (
Die Psalmen bieten seit Jahrhunderten Betenden Worte, um durch Klage, Bitte und Hilfeschreie ihre je eigene Not ausdrücken zu können und sich so Luft zu verschaffen – das gilt auch in Zeiten einer Pandemie, sowohl für Erkrankte als auch Gesunde. Athanasius von Alexandrien (
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Ob die depressive Person aus dieser Finsternis herauskommt und sie so wie der Beter als Vergangenheit beschreiben kann, hängt davon ab, ob ein Stimmungsumschwung sich ereignet und die betende Person, wenn sie gläubig ist, die letzten Worte des Psalms zu den eigenen machen kann: ‘Eile mir zu Hilfe, JHWH, du mein Heil!’ (Ps 38:23) – dazu bedarf es in den Worten Erich Fromms nicht weniger als ein ‘einer Offenbarung vergleichbares Erlebnis’ (Fromm
Der Stimmungsumschwung in den Psalmen, von der Klage in das Lob, wirkt in Zeiten der Not oft auch wie eine Lobvergiftung. Er ist kein Automatismus, sondern kann nur im Gebet vollzogen werden, wenn die Worte eigene Erfahrungen widerspiegeln; ansonsten sind die Psalmen nur leere Worthülsen.
Psalm 13 gilt seit Hermann Gunkel als ‘Muster eines Klageliedes des Einzelnen’ (Gunkel
In den Zeiten einer Pandemie sind Quarantäne und die physische Distanz Akte der Nächstenliebe. Levitikus 13–14 zeigt, dass solche Maßnahmen selbst in biblischen Zeiten dazu dienten, die Gemeinschaft zu schützen. Doch sie führen auch in die Gefahr der Einsamkeit oder gar der Depression. Aus der physischen Distanz darf keine soziale Distanz werden. Für gläubige Menschen können die Psalmen ein Sprachangebot sein, die Not vor den strafenden und heilenden Gott zu bringen. Sie sind ein erprobter Weg aus der Klage über die Not zum Jubel in der Gottesbeziehung. Doch dieser Stimmungsumschwung ist kein Automatismus, sondern ein Gebetsprozess in der Hoffnung auf Gott.
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T.M.S. ist der alleinige Autor dieses Forschungsartikel.
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